Viele Leistungs- und Freizeitläufer schwören mittlerweile auf Yoga. Was genau macht Yoga in Sportlerkreisen eigentlich so beliebt? Die Antwort ist einfach: Yoga schafft einen perfekten Ausgleich, weil die meisten Sportler in festen Bewegungsmustern stecken, die den Körper sehr einseitig belasten. Läufer können davon salopp gesagt „ein Liedchen singen“, denn gerade die einseitige Laufbewegung kann unangenehme Spuren hinterlassen, wenn der nötige Ausgleich fehlt.
Schauen wir uns zunächst mal an, was bei einer optimalen Laufbewegung eigentlich passiert:
„Beim perfekten Laufen zieht das Steißbein nach unten, der Scheitel nach oben. Wenn du mit den Zehen den Vorfuß abstößt, setzt sich dieser Abstoß durch den ganzen Körper fort, bis in den Scheitel! Mit den abstoßenden Zehen zieht auch der Scheitelpunkt den Körper aus der Schwerkraft weg vom Boden – wie ein gespannter Flitzebogen!“ (Quelle: Benita Cantieni, Beschwerdefrei Laufen, S.135)
Die Gelenke greifen also harmonisch ineinander, leiten den Schwung in die Muskeln weiter. Doch diese Kettenreaktion setzt voraus, dass alle Glieder der Kette gesund (beweglich, locker) sind! Die Krux beim Laufen: Werden auf längere Zeit immer wieder die gleichen Muskelpartien beansprucht und gar nicht oder nicht richtig gedehnt, reagieren unsere Muskeln mit einer Verkürzung.
Die Folgen:
- Verkürzte Muskeln ermüden schneller und sind damit weniger leistungsfähig und verletzungsanfälliger, also nicht gesund!
- Verkürzte sorgen Muskeln dafür, dass sich unsere Gelenke nicht mehr in ihrem vollen Umfang bewegen lassen. Viele Läufer fühlen sich daher vor allem im Hüftgelenk und in den Schultergelenken sehr steif und unbeweglich.
Kurz gesagt: Die Kettenreaktion kann nicht mehr harmonisch laufen – im wahrsten Sinne des Wortes. Diese Erfahrung habe auch ich gemacht, als mein Körper nach vielen Jahren des Laufens einfach nicht mehr rund laufen wollte. Jeder Schritt war mühsam und ich habe mich innerlich nach den Zeiten zurück gesehnt, in denen mir das Laufen leicht gefallen ist – und ich nebenbei auch noch flott unterwegs war.
Und jetzt kommt Yoga ins Spiel: Wer regelmäßig Yoga praktiziert oder Yoga-Elemente in sein Training einbaut
- steigert seine Beweglichkeit,
- kräftigt seine Muskeln,
- verbessert seine aufrechte Haltung,
- verbessert seine Regenerationsfähigkeit,
- trainiert, sein Atemvolumen auszuschöpfen,
- lernt, den Körper möglichst effizient zu belasten und nur die Muskeln anzuspannen, die nötig sind UND
- läuft bewusster und leichter!
Für eine regelmäßige Yoga-Praxis empfehle ich einen ausgewogenen Mix aus Mobilisation, Dehnung und Kräftigung (vor allem von Rumpf und Beckenboden). Ich übe nach einem Dauerlauf immer gern die Tischhalte im Stand und achte darauf dass ich ganz viel Länge zwischen mein Steißbein und Scheitel bringe. Nach einer achtsamen Vorbeuge und einem bewussten Loslassen meines Oberkörper schließe ich den Ausfallschritt an und je nach Zeit und Lust das Dreieck in der gedrehten Variante.
Leichtigkeit lässt sich aber auch beim Laufen selbst erfahren, in dem ihr mal ganz bewusst in eure eigene Anatomie hineinspürt. Das hört lustig an, hilft aber sehr wirkungsvoll, um die eigenen „Baustellen“ zu lokalisieren und mal zu erfahren, wo es eigentlich nicht rund läuft. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich ganz schnell Spannung löst, indem ich an diesen Stellen mit einer bewussten Atmung loslasse. Ein bewusstes Hineinspüren hilft aber vor allem auch in Bezug auf das eigene Schmerzempfinden. Viele empfinden den Schmerz als undefinierbaren Klumpen. Wer seinen Körper bewusst wahrnehmen und demnach auch den Schmerz genau lokalisieren und differenzieren kann (sitzt er zum Beispiel im Muskel, im Skelett oder Bindegewebe?) unternimmt den ersten Schritt zur Heilung. Denn wir kennen aus dem Yoga: Je konkreter wir unsere Aufmerksamkeit zu einem Thema senden, desto mehr Energie fließt dorthin. Wenn wir immer nur an den undefinierbaren, unangenehmen Schmerz-Knoten denken, wird er sich sicher nicht auflösen. Wenn wir aber die (veränderten) Strukturen hinter unserem Schmerz wahrnehmen, setzen wir den Fokus auf die Ursache und der Knoten darf sich lösen.
Und noch einen kleinen Tipp in punkto Bewusstsein habe ich für euch: Achtet mal auf euren Kopf – ganz nach dem Motto: Kopf hoch macht das Laufen leicht! Unser Kopf wiegt zwischen 4,5 und 5,5 Kilo – und wenn die aufgrund von müder oder schlecht ausgebildeten Hals- und Nackenmuskeln auf unserer Halswirbelsäule lasten, kann das zu unangenehmen Kopfschmerzen beim Laufen führen!
Deswegen: Stellt euch einfach vor, euer Scheitel hängt an einer unsichtbaren Schnur – und diese Schnur zieht euren gesamten Körper bei jedem Laufschritt in die Streckung!